Um sich auf nationalen und internationalen Märkten von der Konkurrenz abzuheben, ist eine hohe Produktqualität unverzichtbar. Die Qualitätskontrolle wird in der Produktion meist stichprobenbasiert in Form einer statistischen Prozesskontrolle durchgeführt. Die statistische Prozesskontrolle kann allerdings nur einen geringen Teil der produzierten Bauteile prüfen und somit ist ein ganzheitlicher und vollständiger Prüfnachweis nicht gegeben. Ein Anheben des Stichprobenumfangs ist allerdings mit hohen Prüfkosten verbunden. Doch wie sieht es mit dem Einsatz von automatisierten Prüfverfahren aus? Ist der Einsatz einer Künstlichen Intelligenz in der Qualitätskontrolle sinnvoll?
Möglichkeiten der Qualitätskontrolle im Produktionsprozess
Während dem Produktionsprozess gibt es unterschiedliche Zeitpunkte, an denen eine Qualitätsprüfung durchgeführt werden kann (s. Abb. 1):
- Zum einen kann eine sogenannte Vorproduktprüfung stattfinden, sodass keine fehlerhaften Produkte in den Prozess eingelastet werden.
- Zum anderen ist die Prüfung der Produktmerkmale oder Maschinenparameter während sowie nach jedem Produktionsschritt durchführbar.
- Die letzte Möglichkeit ein Produkt auf Qualität zu prüfen ist nach dem Produktionsprozess in der sogenannten Qualitätssicherung. Dabei sollte beachtet werden, dass eine reine Prüfung nach dem Produktionsprozess lediglich das Entdecken von Fehlern ermöglicht, nicht aber das Verhindern der Fehler. Daten, die durch die Prüfungen gesammelt wurden, werden an die Produktion zurückgegeben, um bei Qualitätsabweichungen entgegenzuwirken.
Abb. 1: Prüfpositionen im Produktionsprozess
Qualitätskontrolle mithilfe von KI
Der Einsatz von KI zur Qualitätskontrolle setzt bestimmte Anforderungen an die Dateninfrastruktur voraus. Wie bereits in unserem letzten Blogartikel beschrieben, stellen Daten die Grundlage für ein erfolgreiches KI Modell dar. Es müssen alle relevanten Prozessdaten erfasst, gespeichert und verarbeitet werden – dann können mit einer KI zur Qualitätskontrolle optimale Ergebnisse erzielt werden.
KI wird bereits vereinzelt an den oben genannten Prüfpositionen im Produktionsprozess zur Qualitätsprüfung eingesetzt:
- Vorproduktprüfung (1) und Qualitätssicherung (3)
Hier werden meist bildverarbeitende KI-Systeme genutzt. Gründe dafür sind zum einen, dass die Bildverarbeitung im Gegensatz zur Nutzung von Deep Learning-Modellen einfach zu implementieren ist. Zum Anderen kann auf eine aufwändige Datenanalyse bei der optischen Erkennung häufig verzichtet werden. Denn zum Trainieren des Systems werden lediglich exakte Trainingsdaten benötigt, mit denen die KI selbst lernen kann, Fehler zu erkennen.
- Während / nach (2) den Produktionsschritten
Bisher scheiterten datenverarbeitende KI-Systeme während dem Produktionsprozess häufig an fehlender Sensorik oder der Vernetzung der Anlagen. Denn für die Datensammlung ist eine Vielzahl an eingebauten Sensoren wichtig, die stetig Daten zum Maschinenzustand und den gefertigten Objekten bereitstellen. Diese Daten können dann von KI-Systemen auf bestimmte Eigenschaften überprüft werden, die deutlich von den zu erwartenden Werten abweichen.
Ziele der Nutzung von KI
Ein Ziel bei der Nutzung von KI während des Produktionsprozesses ist die Prüfoptimierung. Dabei sollen der Prüfprozess sowie die Prüfqualität verbessert werden.
Außerdem kann das KI-System für Qualitätsvorhersagen genutzt werden. Es geht also darum, Vorhersagen über die zukünftige Qualität eines Produktes zu treffen. Dazu können beispielsweise Maschinendaten aus dem Produktionsprozess verwendet werden. Durch die Echtzeit-Überwachung von Leistung, Qualität und Zustand der Maschinen ist es außerdem möglich, detaillierte Prognosen zum Maschinenverhalten zu erstellen. Um konkrete Prognosen zu stellen, werden die Daten vieler Maschinen, die Expertise des Maschinenherstellers sowie das Wissen über das Normalverhalten der Maschine benötigt. All diese Daten bilden eine Basis, mit der KI-Systeme Prognosen erstellen können.
Einblick in eines unserer KI-Projekte
Um die Vorteile des Einsatzes von KI zur Qualitätsprüfung anschaulicher zu machen, wollen wir uns nun einen Use Case genauer ansehen (s. Abb. 2).
Ein mittelständisches Unternehmen in der metallverarbeitenden Industrie fertigt in hohen Stückzahlen komplexe Bauteile. Bereits wenige Mikrometer große Defekte der Bauteile sind oftmals kritisch – daher muss jedes bearbeitete Teil einzeln geprüft werden. Zur Qualitätsprüfung verwendet das Unternehmen ein optisches 3D-Inline-Messsystem. Allerdings verbleiben trotz der optischen Messung noch 10 % Pseudoausschuss. Um die im Pseudoausschuss verbleibenden 10 % Fehlausschussquote zu reduzieren, ist eine zeitaufwendige manuelle Nachprüfung der vermeintlich schlecht bewerteten Metallteile notwendig.
Das bestehende Messsystem soll nun durch eine KI-basierte Bauteilklassifikation erweitert werden. Dadurch soll Pseudoausschuss als solcher künftig mithilfe der KI schon direkt im Fertigungsprozess erkannt werden. Allerdings muss die KI aufgrund von Chargenschwankungen und den damit möglichen Veränderungen der Pseudofehlermerkmale permanent trainiert werden. Da dies mittels manuellem Labeln von Bilddaten nicht möglich ist, muss zusätzlich eine Strategie entwickelt werden, die es ermöglicht, dass die KI autonom und produktionsbegleitend lernt Pseudofehlermerkmale zu erkennen.
Um die KI an den Bauteilen, die nicht in Ordnung sind zu trainieren, müssen die einzelnen Bauteile individuell vom 3D-Messsystem identifiziert und geprüft werden. Die Teile, die in Ordnung sind, können direkt ausgeliefert werden. Bei den Fehlerteilen kommt nun die KI zum Einsatz. Die KI kann in den Bilddaten der vermeintlich schlechten Bauteile identifizieren, ob eines der zuvor trainierten Messartefakte vorhanden ist. Wenn das der Fall ist, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein gutes Bauteil. Um auszuschließen, dass trotz des Messartefakts ein echter Fehler vorliegt, durchlaufen die Bauteile, die von der KI geprüft wurden, nochmals die 3D-Messung. Dank eines zuvor erstellten digitalen Fingerprints weiß das 3D-Messsystem, ob das Bauteil bereits geprüft wurde. Wenn dieses Bauteil in der zweiten Messung nun einen Fehler aufweist, kann es direkt als Ausschuss deklariert werden. Wenn es keinen Fehler aufweist, handelt es sich tatsächlich um Pseudoausschuss und das Bauteil kann somit ausgeliefert werden. Anschließend werden die 3D Bilddaten der ersten Messung des Pseudoausschusses als Trainingsdaten an die KI übermittelt. Dadurch wird die KI stetig trainiert und an die sich ändernden Fehlermerkmale angepasst.
Dank der KI kann der Pseudoausschuss direkt während des Produktionsprozesses als solcher erkannt werden. Das ermöglicht es dem Unternehmen jährlich fast 1 Mio. mehr Bauteile auszuliefern, die sonst fälschlicherweise entsorgt werden. Die manuelle Nacharbeit kann eingestellt und somit die Produktivität deutlich erhöht werden. Auch der CO2-Ausstoß und der Ressourcenverbrauch werden deutlich reduziert.
Abb. 2: Ablauf des Prüfprozesses
Fazit
Die fortschreitende Digitalisierung und der stetig steigende Kosten- und Konkurrenzdruck in der Produktion machen eine automatisierte Qualitätsprüfung nahezu unvermeidbar. Der Einsatz einer KI zur Qualitätsprüfung ist sowohl bei der Produktion von großen Stückzahlen als auch bei kleinen und mittleren Stückzahlen sinnvoll. Entscheidend ist, dass die zu prüfenden Merkmale ähnlich oder gleich sind. Insbesondere wenn viele Merkmale eines Bauteils überprüft werden müssen, ist die Qualitätskontrolle mit KI sehr lohnenswert. KI-Systeme können an allen Prüfpositionen im Produktionsprozess zur Qualitätsprüfung eingesetzt werden. Ziele wie die Prozessoptimierung oder Qualitätsvorhersage sind von besonderer Bedeutung. Denn dadurch kann die Produktivität gesteigert, Ressourcen und aufwändige Nacharbeit reduziert sowie Fehler bereits im Vorfeld erkannt werden.